Beschreibung des Kartierungsverfahrens
Nachdem die von 1876 bis 1887 erhobenen Fragebögen in Marburg eingegangen waren,
wurden die Formulare inventarisiert und regional sortiert. Diese Sortierung bildete
die Grundlage der Datenerfassung. Die Kartierung erfolgte in mehreren Schritten.
Dabei wurden zwei Grundkarten verwendet, und zwar die Karte zur Landaufnahme des
Deutschen Reichs im Maßstab 1:300.000 sowie die Sektionskarten von Liebenow
im Maßstab 1:1.000.000. Beide Karten sind am damaligen Nullmeridian (Ferro)
ausgerichtet mit einem Gradnetz von 5° Breite und 10° Länge.
Die Karte zur Landaufnahme des Deutschen Reichs besteht aus zahlreichen Einzelkarten,
so dass immer nur ein bestimmter regionaler Ausschnitt bearbeitet werden konnte.
Über diese Teilkarten spannten die Bearbeiter Leinenpausblätter, auf denen
sie die einzelnen Ortspunkte der Erhebung geographisch exakt markierten. Für
das gesamte Reichsgebiet war der Maßstab von 1:300.000 zwar klein, jedoch
für die Darstellung kleinräumiger Bereiche, wie sie für über
40.000 Untersuchungsorte notwendig war, nicht ausreichend. Dies führte dazu,
dass die Ortsnamen auf den Pausen nicht eingetragen werden konnten, lediglich größere
Städte wurden zur Orientierung angegeben, jedoch auch diese konnten nicht immer
ausgeschrieben werden. Das Platzproblem wurde gelöst, indem die Orte pro Planquadrat
durch ein Siglensystem kodiert wurden, womit sie allerdings nur indirekt zu identifizieren
waren. Dies erforderte für die weitere Bearbeitung einen zusätzlichen
Arbeitsschritt.
Die auf diese Weise entstandenen 31 Leinenkarten bildeten die Vorlage der weiteren
Bearbeitung. Über eine Leinenkarte wurde nunmehr ein transparentes Pergamentblatt
gelegt. Daneben hatte der Bearbeiter die für das zu zeichnende Gebiet erforderlichen
Erhebungsbögen liegen. Seine Aufgabe bestand darin, auf jedem Pausblatt ein
Lemma zu kartieren. Zunächst mussten die Ortspunkte dekodiert werden. Anschließend
wurden die in den Bögen enthaltenen Belege den einzelnen Ortspunkten symbolisch
zugeordnet. Bereits bei der Zeichnung der Pausblätter waren Gebiete ohne oder
nur mit geringer arealer Variation zu erkennen. Diesen Gebieten wurden sogenannte
Leitformen zugeordnet, so dass der Bearbeiter lediglich die Ausnahmen von diesen
Leitformen durch Symbole eintragen musste. Die Gebiete mit geringer Variation wurden
mit Linien umrandet, den sogenannten Isoglossen. Als Symbole wählte man Strichzeichen
oder geometrischen Figuren, die nachträglich zugeordnet werden konnten.
Im Anschluss mussten die Daten von den Pausblättern auf die gedruckten Grundkarten
des kleineren Maßstabs handschriftlich übertragen werden. Selbst der
Maßstab von 1:1.000.000 war für eine Einzelkarte noch immer zu groß.
Daher wurde auch diese Grundkarte aufgeteilt. Daraus entstanden drei Teilkarten
(ein Südwest-, ein Nordwest- und ein Nordostblatt) mit einem Format von je
ca. 50×60 cm. Aus Platzgründen konnten auch dort nur die Namen weniger
größerer Städte eingetragen werden. Diese Grundkarten wurden auf
Kupferplatten fixiert und ab 1888 in Massenproduktion hergestellt. In die Grundkarten
wurden die Daten per Hand durch "Netzübertragung" (Quadrierverfahren) eingezeichnet.
Dabei orientierte sich der Zeichner an der Position des betreffenden Ortspunktes
innerhalb des feinmaschigen Gradnetzes und übertrug diese in eindeutigen Fällen
(wenige Ortspunkte pro Planquadrat) per Augenmaß, in uneindeutigen Fällen
(viele Ortspunkte pro Planquadrat) unter Berücksichtigung der geographischen
Koordinaten.
Wenn möglich, wurden Gebiete mit geringer Variation durch Isoglossen eingegrenzt
und die Leitform an zentraler Stelle eingetragen. Abweichende Varianten wurden in
diese Gebiete eingetragen. Im Unterschied zu den Pausblättern wurden jedoch
die Isoglossen als auch die Symbole koloriert. Insgesamt wurden pro Karte bis zu
22 unterschiedliche Farben verwendet, die mitunter sogar dazu dienten, ganze Teilgebiete
farbig zu unterlegen. Auch die Konzeption der Symbole wurde mehrfach überarbeitet.
Letztendlich wurde eine Form gefunden, die auf eine Kombination von geometrischer
Fläche - v.a. Kreissymbole - und Farbe setzt. Insgesamt wurden die Symbole
als Detailzeichnung gehalten, so dass sich aus den Karten - abhängig von der
Ausprägung der Variation - eine erhebliche Informationsdichte ergibt. Um die
Symbol- und Farbkodierung möglichst unkompliziert auflösen zu können,
erstellten die Bearbeiter für jedes Teilkartenblatt eine eigene Legende. Indem
man somit drei Legenden anfertigte, konnten Phänomene, die nur eines der Teilkartenblätter
betreffen, z.B. Fremdwörter im Bereich des französischen Grenzgebietes,
nur in dieser einen Teil-Legende erfasst werden. Damit wurde die Übersichtlichkeit
der Symbolisierung wesentlich gefördert.
Für das Zeichnen der Karten verantwortlich waren neben Georg Wenker seine Mitarbeiter
Ferdinand Wrede und Emil Maurmann. Der größte Teil der Zeichnungen wurde
von Emil Maurmann bewältigt. Die erste fertige Karte lag im Jahr 1889 vor.
1923 wurde die Kartenproduktion eingestellt und mit den Vorarbeiten zu einer Veröffentlichung
des Kartenmaterials - dem späteren Deutschen Sprachaltas - begonnen. Nach Abschluss
der Arbeiten war folgender Bearbeitungsstand erreicht:
- 1.668 Karten, das entspricht 339 Einzelwörtern, sind fertiggestellt. 1.610
Karten sind im Forschungsinstitut für deutsche Sprache Marburg archiviert,
1.080 zusätzlich in der Staatsbibliothek Berlin, davon 58 Karten, die nicht
in Marburg vorhanden sind.
- 31 Einzelwörter wurden für das gesamte Reichsgebiet auf Pausblätter
übertragen und damit zur Kartenzeichnung vorbereitet. Wegen der Beendigung
des Projekts wurden die Karten jedoch nicht mehr angefertigt.
- 16 Einzelwörter wurden nur teilweise auf Pausblätter übertragen.
Daneben sind in den Fragebögen 80 Einzelwörter enthalten, die überhaupt
nicht verkartet wurden. Für die Publikation des Kartenmaterials im Rahmen des
Deutschen Sprachatlas (DSA) wurden 41 Einzelwörter nachträglich nach der
Methode des DSA kartiert und sind dort publiziert.